Deutschland befindet sich derzeit in einer durchaus komfortablen Lage, mit nur wenigen marginalen Ausnahmen. Diesen Eindruck erwecken zumindest die jüngsten politischen Schlagzeilen. Anstatt sich jedoch auf tiefgreifende strukturelle Reformen und entscheidende Kurskorrekturen zu konzentrieren, verliert sich die politische Debatte in Details und Nebensächlichkeiten.
Es ist bemerkenswert, wie einige politische Akteure ihre Energie in die Überlegung stecken, ob Schokoriegel beworben werden dürfen, um Karies bei Kindern zu verhindern (Minister Özdemir), oder ob Tennisturniere im Sommer verboten werden sollten, um Hitzetote zu reduzieren (Minister Lauterbach). In der Zwischenzeit sollte die wirtschaftliche Krise, die das Land durchdringt, unsere volle Aufmerksamkeit erfordern. Aktuelle Prognosen des Internationalen Währungsfonds deuten darauf hin, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen wird. Diese düstere Aussicht platziert Deutschland auf dem unrühmlichen letzten Platz unter den G7-Industriestaaten, die trotz der anhaltenden Herausforderungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Konflikts zu Wachstum zurückkehren konnten.
Die Gründe für diese wirtschaftliche Misere sind altbekannt. Zum Beispiel belasten die seit Jahren steigenden Energiepreise Unternehmen und Konzerne. Trotzdem hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Frühjahr entschieden, die letzten verbliebenen Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, was die Energieknappheit weiter verschärft. Sein Vorschlag, die Steuerzahler zur Finanzierung subventionierter Strompreise für energieintensive Unternehmen heranzuziehen, mag zwar ein Ansatz sein, aber er wirft Fragen auf.
Ein weiteres gravierendes Problem ist der anhaltende Fachkräftemangel in deutschen Unternehmen. Leider scheint die Bundesregierung eher dazu beizutragen, das Problem zu verschlimmern, anstatt es zu lösen. Unternehmen, die auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind, sehen sich einem komplexen bürokratischen Hindernislauf gegenüber. Gleichzeitig werden dringend benötigte Fachkräfte aufgrund eines veralteten Rentengesetzes vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Grüne und Sozialdemokraten denken sogar laut über die Einführung einer Vier-Tage-Woche nach, was die Personalknappheit weiter verschärfen könnte.
Die Bürokratie ist ein weiterer Hemmschuh für deutsche Unternehmen. Bevor sie überhaupt ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen können, müssen sie sich durch einen Dschungel von Richtlinien kämpfen und zahlreiche Nachweispflichten erfüllen. Die Regierung hat zwar ein Entlastungsgesetz in Aussicht gestellt, aber die geplanten Maßnahmen erscheinen eher oberflächlich, wie die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf sieben Jahre zeigt.
Während Deutschland in vermeintlicher Selbstzufriedenheit verharrt und die Augen vor den drängenden wirtschaftlichen Herausforderungen verschließt, wird anderswo auf der Welt intensiv über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts diskutiert und gehandelt – in Asien, Amerika und anderen europäischen Ländern. Das anhaltende Schweigen der deutschen Politik über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts könnte sich bald als Fehler erweisen. Es ist dringend an der Zeit, dass die politische Führung sich den ernsten wirtschaftlichen Problemen stellt und konkrete Schritte unternimmt, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Andernfalls könnte die Zukunft des Landes ernsthaft gefährdet sein.
Ein Meinungsbeitrag von Johannes Voß, Elektroingenieur und Beisitzer im MIT Kreisverband Börde